
Tag 5 – Organhandel und gebratene Käfer
Ein später Start in den Tag, eigentlich wollten wir um 15 Uhr wollten wir los nach Dongdaemun.
Doch kein Lebenszeichen von Nils. Da er am Vorabend noch „kurz“ was trinken wollte, war mein erster Gedanke: Er wurde von Organhändlern entführt. Ich überlegte wie ich Hanni erreiche, um mit ihr zu den Cops zu gehen oder wie ich den Fall den Behörden schildern sollte. Vor meinem geistigen Auge zeichnete sich ein Bild von seinen Körperteilen auf dem Markt, sauber in bester Arthouse Manier abgetrennt …
Ich machte mich auf den Weg von meinem Hostel zu seiner Wohnung, allerdings scheiterte ich schon an der Haustüre, auf der ein Code war. Normalerweise stehen hier einem alle Türen offen. Wörtlich.
Auf der Suche nach einem WLAN (meine einzige Möglichkeit zu kommunizieren), vibrierte mein Handy plötzlich.
„Jo digga, sorry, bin nochmal eingepennt.“ – Es war 15 Uhr.
Einerseits war ich froh, dass Nils noch in einem Stück am Leben war, andererseits hätte das eine coole Story ergeben. Nunja. Auf nach Dongdaemun (ein Viertel mit vielen Märkten und Sehenswürdigkeiten).
Erster Halt war der Gwangjang Markt. Bock auf die nächste Dschungelprüfung? Hier entlang. Von diversen Innereien und Organen, über jegliche Fischsorten, bis hin zu gebratenen Käfern haben Seouls Märkte eine Menge Leckereien zu bieten, bei dem jedem das Wasser im Mund zusammenläuft. Spaß beiseite, ich zweifle gerade wirklich an meiner Überzeugung, ob ich noch so ein großer Fleischfan bin. Gefüllter Kuhdarm, halbierte Rochen und Schweineschnauzen, und das unter wenig hygienischen Bedingungen: das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit hätte die Zeit seines Lebens.
Ein passendes T-Shirt gefällig? Das liegt nämlich direkt daneben. Ich bin nicht so angetan, wie man merkt.
Schnell raus, der Cheonggyecheon ist nur einen Atemzug entfernt. Das ist ein Fluss, der 2005 wiedererschlossenen wurde, um dem urbanen Viertel etwas Leben und Natur zu verleihen. Sogar ein paar Pflanzen finden sich inmitten Betonplatten. Viele Städter suchen sich hier einen Ruheort für die Mittagspause; an dem recht sonnigen Tag fanden deshalb eine Menge Menschen im Schatten der Brücken einen Platz.
Es war echt heiß, oder schwül, oder beides. So viel geschwitzt habe ich selten. Selbst Hannie, die das Wetter gewohnt ist war warm. Und das heißt was. Koreaner schwitzen nicht. Was für eine Hexerei das ist, weiß ich allerdings nicht.
Wir gelangten zum Dongdaemun Design Plaza, kurz DDP, oder wie die Einheimischen es nennen: Das Raumschiff. Niemand weiß so richtig was es ist, wofür es ist und wieso es dort steht und soviel Platz wegnimmt. Zum Fotos schießen ist es allerdings super.
Generell landeten wir an einen Ort, der für mich das Sinnbild von Asien war, wie ich es im Kopf hatte. Viele Menschen, obskure Gebäude, viel Werbung. Ebenfalls waren hier sämtliche Einkaufszentren versammelt, das Pinakel des Kommerzes.
Rund um den DDP versammelten sich zahlreiche Foodtrucks. Aber nicht nur 2-3, wie auf den Streetfood-Festivals in Deutschland, mindestens 50 Stände mit dem Essen aus aller Welt. Und das zu humanen Preisen. Umgerechnet 6 Euro für eine vollwertige Mahlzeit wären in Deutschland eine Utopie. Es sah sogar alles essbar aus, das akute Risiko einer Lebensmittelvergiftung habe ich nicht wahrgenommen.
Bei einem kurzen Abstecher in eine Rooftop-Bar (in der wir über zwei Stunden auf einem Getränk verweilten) konnten wir wiederum die Aussicht von Seoul bei Nacht genießen. Der Dongdaemun Plaza hat bei Nacht ein bisschen was vom Times Square, auch wenn nicht ganz so viel los war.
Kennst du noch Bubble Tea? Zwischen 2012 und 2013 ein kurzer Hype, der dann aufgrund gesundheitsschädlicher Substanzen auch so schnell abebbte, wie er entstanden ist. Hier immer noch voll im Trend, ein Gong Cha gibt es an jeder Ecke. Die Bubbles sind hier, im Gegensatz zu den deutschen Fakes, allerdings bloß Weingummi-ähnliche Kugeln. Bei uns waren es damals feste Kügelchen in einer essbaren Hülle, die beim Draufbeißen zerplatzt sind. Ich habe mich nochmal daran gewagt, es war aber wie zu erwarten viel zu süß – dennoch genießbar – und ich habe auch nicht das Gefühl krank zu werden.
Auf der Rückfahrt ist uns noch ein Herr in den Mid-Fünfzigern begegnet der uns, trotz Sprachbarriere, zugetextet hat und daraufhin seine U-Bahn Haltestellen fast verpasst hat. Lustiger Kerl. Er war ganz offensichtlich angetrunken, wie viele Koreaner am Abend.
Zu viele. Der Alkoholismus der Gesellschaft ist in Korea meiner Meinung noch einmal deutlich ausgeprägter als in Deutschland bei der WM. Jeden Abend kommen uns scharenweise Menschen entgegen, die offensichtlich den ein oder anderen Soju zu viel hatten. Soju ist Reisschnaps, der hier definitiv zu den beliebtesten alkoholischen Getränke zählt. Günstig und knallt gut (zumindest bei den Asiaten, die vertragen echt nichts).
Leistungsdruck und absurde Arbeitszeiten lasten auf den Menschen, da ist es klar, dass sie die paar freien Stunden nutzen wollen. Drogen sind in Asien übrigens superillegal. Auf Marijuana Besitz wird mit 5 Jahren Knast und bis zum 50.000 Euro Strafe geahndet, kein Kavaliersdelikt wie in Deutschland.
Morgen ist Sonntag, da lassen wir es etwas ruhig angehen. Immerhin haben wir an den paar Tagen bisher knapp 100km zu Fuß zurückgelegt. Außerdem ist morgen das erste Deutschlandspiel, welches wir im Gemeinschaftsraum meines Hostels mit ein paar anderen Gästen schauen wollen. Gut Kick!
PS: Die restlichen Bilder des Tages gibt es hier.
PPS: Hast du Fragen über Korea oder Sachen die sich besonders interessieren? Schreib mir, du weißt wie.