Tag 0.5 – Willkommen in Seoul!
Das war ja was.
Nach einem recht entspannten Flug in einem Flieger mit kleinen Sitzen und einem Koreaner, der er sich nicht nehmen lies mehrfach auf meiner Schulter einzuschlafen, habe ich die 11 Stunden von Amsterdam nach Seoul fast ausgeruht überstanden. Glücklicherweise war es ein Nachtflug, so ergab sich sogar die Möglichkeit ein bisschen zu schlafen und ohne (großen) Jetlag in Korea anzukommen.
Die Einreise lief, entgegen meiner Eskapaden in den USA, überraschend unbeschwert, ohne merkwürdige Fragen oder sich aufspielende Zollbeamte. Kurze Hintergrundinformation: Ich wurde bereits zweimal an der US Grenzkontrolle in einen gesonderten „Interviewraum“ gebracht, weil ein altes Schülervisum wie geplant abgelaufen ist.
Zwar muss man für die Einreise nach Korea eine kurze Auskunft über die Reise ausfüllen und Fingerabdrücke abgeben, allerdings hatte ich zu keinem Zeitpunkt den Eindruck als seien Touristen unerwünscht.
Soweit so gut. Hervorragend vorbereitet wie ich bin, legte ich mir ein freundliches „Annyeonghaseyo“ (eine höfliche Form von „Hallo) auf die Zunge, heraus kam jedoch so etwas wie „it g ma“. Eine Phrase die Nils uns indoktriniert hat, indem er zuhause gefühlt jeden Abend ein Lied namens It G Ma vorgespielt hat. Das heißt glücklicherweise nichts schlimmes, sondern bedeutet „Vergiss nicht“. Ich glaube aber, dass der Zollbeamte das ohnehin nicht gehört hat.
Nun gut, nachdem das geschafft war, begrüßte mich Nils mit einer KakaoCard, der U-Bahn Karte für ganz Seoul.
Aufmerksamen Lesern mag aufgefallen sein, dass ich gestern bereits über KakaoTalk geschrieben habe. Große Teile der koreanischen Produktlandschaft gehören wenigen großen Unternehmen; Kakao, Naver und Lotte sind Namen die man hier überall wiederfindet. Ob auf Getränken, auf dem Handy als App oder in der Stadt: Conglomerate Konzerte gibt es in Korea genauso wie in Europa und den USA.
Die Fahrt nach Seoul dauerte vom Flughafen Incheon mit der zunehmend vollen U-Bahn circa 2 Stunden. Erste wichtige Erfahrung: Alte Leute werden deutlich mehr respektiert. Kommen Rentner in die U-Bahn stehen gleich mehrere Menschen auf. Jedes Mal. Aber mehr dazu später.
Ebenfalls auffällig: Ich bin nicht mehr klein. Im Gegensatz zu Europa, überrage ich hier die meisten Menschen und könnte sogar bei Konzerten etwas sehen, sollte es jemals dazu kommen.
Angekommen in Seocho (dem Stadtteil, in dem ich wohne) fiel mir zuerst der Geruch der Stadt auf. Es roch nicht nach Abwasser oder Abfall, sondern nach Buttermilchpfannkuchen? (Das Fragezeichen ist bewusst dort platziert, ich frage mich nämlich, warum das so ist. (PS: Es lag nicht an einem Pfannkuchenstand)). Dieser Geruch kam mir im Laufe des Abends öfter zur Nase.
Das Stadtbild war überraschend gewohnt. Neben den ganzen Schriftzeichen, die für mich wie Hieroglyphen wirken, gibt es einer große Menge an bekannten, amerikanischen Marken. McDonalds, Burger King, Starbucks und Baskin Robbins (Eis) sind in Masse vertreten; deutlich stärker als in Deutschland. Allgemein wirkt das Land in Teilen deutlich stärker amerikanisiert als beispielsweise Deutschland und England. An anderen Stellen, wie zum Beispiel bei Autos oder Smartphones, sieht man überwiegend koreanische Marken.
Außerdem gibt es Convenience Stores an wirklich jeder Ecke. Man kann sie von der Produktpalette in etwa mit den deutschen Kiosks vergleichen, sie haben gesellschaftlich jedoch einen anderen Stellenwert. So ist es hier völlig normal, sich vor den Kiosk zu setzen und etwas zu essen und zu trinken. Kannst du dir vorstellen, dich in Deutschland dort hinzusetzen?
Gegen Abend haben wir uns zum Deutschunterricht mit ein paar Nachhilfeschülerinnen von Nils in einem Café getroffen. Es war echt interessant, meine Muttersprache einmal von außen zu sehen und Worte nicht als gegeben zu betrachten. Nils‘ Schülerinnen sprechen so gut wie kein Englisch, daher blieb uns nichts anderes übrig als Wörter auf deutsch, in möglichst einfacher Sprache, zu umschreiben. Die beiden verstehen in etwa 50% vom einem normalen Gespräch, einige Sachen mussten wir daher nochmal erörtern. Worte wie „aufgereiht“, „Hütte“ und „Gartenzwerg“ zu erklären ist mehr als abenteuerlich. Besonders schwierig war „überschatten“, wobei Nils letztendlich auf eine Skizze ausgewichen ist.
Gegen Ende haben wir ein bisschen über die Vorurteile der jeweils anderen Kultur geredet. Es war erfrischend mal nicht „Nazi“ und „Lederhosen“ zu hören; Koreaner empfinden Deutsche als fleißig (hahahaha, die koreanische Arbeitswoche wurde erst vor kurzem von 68 Stunden auf 52 Stunden gesenkt), kühl und direkt.
Ein bisschen über die lokale Kultur habe ich ebenfalls mitgenommen: Koreanisch hat sehr viele Höflichkeitsformen, die streng befolgt werden sollten. So gibt es zum Beispiel mehrere Möglichkeiten danke zu sagen. „Gamsa“ ist die Grundform und wird als sehr informell und unhöflich empfunden. Zu Freunden sagt man daher meist „gamsa-hae-yo“ oder „gomawo„. Bei Menschen die man nicht kennt, bedankt man sich meist mit „Gamsahamnida„. Dies gilt vor allem für den Umgang mit älteren Leuten. Diese werden prinzipiell immer mit der höchsten Höflichkeitsform angesprochen, auch wenn es die eigenen Oma ist. Allgemein werden Rentner hier sehr respektvoll behandelt und haben gesellschaftlich einen hohen Stellenwert.
Was in der Sprache sehr wichtig ist, findet sich im Umgang mit Menschen jedoch kaum wieder. Wenn man angerempelt wird, entschuldigt sich niemand; die Türen hält man prinzipiell auch nicht für den Nächsten auf…
… außer man ist Ausländer / Tourist.
Anscheinend hat man hier als solcher einen besonderen Status. Die Leute sind unglaublich höflich und geben sich eine Menge Mühe gastfreundlich zu sein, sowohl im Hostel, als auch in Restaurants oder Cafés. Viele (vor allem junge) Koreaner nicken und sagen freundlich Hallo, es ist sogar schon jemand zu mir gekommen und wollte ein Foto machen.
Den Abend haben wir in einem Restaurant verbracht und Bulgogi gegessen; ein typisch koreanisches Gericht, bei dem Fleisch am Tisch gegrillt und zubereitet wird (deswegen heißt es auch Korean Barbeque). Das Besondere daran ist, dass man das Fleisch mit ein paar weiteren Beilagen in ein Salatblatt legt, es zusammenfaltet und dann isst. Ein bisschen wie Döner. Üblicherweise wird dazu Reis, Sojapaste (sehr lecker!), Algensalat und Knoblauch serviert. Außerdem erhält man zu so gut wie jedem Gericht Kimchi, eingelegten Chinakohl (recht scharf).
Und dann wäre da noch die Sache mit den Stäbchen. Ich will nicht lügen, das erste Essen war abenteuerlich. Ich bin extrem untalentiert darin mit Stäbchen zu essen, daher war die erste Mahlzeit mehr Sauerei als Schmaus.
(Das Foto ist nicht von mir, aber so sieht Bulgogi / Korean BBQ in etwa aus)
Entgegen meiner Erwartung habe ich den Tag quasi ohne Jetlag überstanden. Die sieben Stunden Zeitverzögerung machen sich ebenso gar nicht so doll bemerkbar, bis jetzt. Mal sehen was ich morgen früh dazu sage.
Bis dahin und gute Nacht!